Wissen

Franz-Josef Wittstamm: „Ostjuden“ im Deutschen Reich und in Recklinghausen

Franz-Josef Wittstamm schildert in einem bebilderten Vortrag, welches besondere Schicksal die Juden aus Galizien, Transkarpathien und Polen haben, die nicht ganz korrekt als „Ostjuden“ bezeichnet wurden. Sie waren im Deutschen Reich unter den Nazis unerwünscht und mussten zwei „Polenaktionen“ über sich ergehen lassen, die zwangsweise Ausbürgerung und Abschiebung nach Polen – der Testfall für spätere Deportationen in noch größerem Stile. Es geht in dem Vortrag auch um die besonderen Schicksale von Juden aus Recklinghausen.

Jürgen Pohl: Zwangsarbeit und Kriegsgefangene in Recklinghausen

Die Würde des Menschen ist antastbar…Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene in Recklinghausen im Zweiten Weltkrieg
Was sich hier provokant anhört, ist die unter den Nazis vollzogene Praxis, im damaligen Reichsgebiet mehr als 13 Millionen Zwangsarbeiter zu verpflichten, allein in Recklinghausen sicher 10.000. Es ist damit ein Massenphänomen, über das jahrzehntelang der Mantel des Schweigens gelegt wurde. Jürgen Pohl bringt mit zahlreichen Informationen darüber Licht in dieses Dunkel.

Dr. Markus Roth: Widerstand im Ghetto. Warschau und darüber hinaus

Ihr habt euch zur Schlachtbank führen lassen wie die Lämmer – dies war ein gängiger Vorwurf an die überlebenden Juden nach 1945, auch und gerade im Israel der 1950er Jahre. Der jüdische Widerstand, vor allem in den Ghettos des Ostens, in Polen und auf dem Gebiet der heutigen Ukraine und Weißrussland, wurde kleingeredet, kaum ein Forscher befasste sich damit. Dr. Markus Roth zeigt in seinem Vortrag auf, dass es vielfältigen Widerstand bis hin zum bewaffneten Aufstand gegeben hat, nicht nur im Warschauer Ghetto im April 1943.

Wolfgang Weber: Staatsanwalt im Majdanek-Prozess

„Sag die Wahrheit, du“ zischte Hermine Braunsteiner, einst Aufseherin im KZ Majdanek, einer Opfer-Zeugin im Flur vor dem Gerichtssaal zu; daraufhin musste das Gericht für die frühere Aufseherin Untersuchungshaft anordnen. Von solchen und ähnlichen Begebenheit während des Majdanek-Prozesses berichtet Wolfgang Weber, der als Staatsanwalt den Prozess mitgestaltete und bereits vorher viele Jahre Zeugen in aller Welt aufgetrieben und Beweismaterial sichergestellt hatte. Das Verfahren dauerte von 1975 bis 1981. Angeklagt waren 17 ehemalige SS-Angehörige.

Rabbiner Prof. Dr. Andreas Nachama: Der 30. Januar 1933

Der Historiker Professor Andreas Nachama schildert in seinem Vortrag sehr anschaulich, in welch atemberaubendem Tempo Hitler und seine NSDAP allein in den ersten 11 Monaten des Jahres 1933 die politische Landschaft in Deutschland und auch Europa verändert haben, Schlag auf Schlag. Bereits 6 – 8 Wochen nach der Machtübergabe sind die Grundpfeiler der Demokratie durch Verordnungen, die vom Reichstagspräsidenten unterschrieben werden, ausgehöhlt. Für den einen Tag des 30. Januar mag der Begriff Machtübergabe stimmen – für das gesamte erste Jahr 1933 ist es wohl eher eine Machtergreifung gewesen, so Nachama.

Prof. Dr. Eva-Maria Thüne: Kindertransporte nach England

„An dem Tag hörte meine Kindheit auf“, zitiert die Professorin für Linguistik, Eva-Maria Thüne aus einem Interview, das sie 2017 mit einer Gruppe jüdischer damaliger „Kinder“ geführt hat. Über 10.000 „Kinder“ können unmittelbar nach den gewalttätigen Novemberpogromen 1938/39 aus Deutschland, Österreich, Polen und der Tschechoslowakei mit dem „Kindertransport“ nach England gerettet werden – dank des Engagements britisch-jüdischer Organisationen und der Quäker. Allein, ohne Eltern, in einer neuen Heimat, in einer fremden Sprache müssen die Geretteten eine dramatische Situation von Trennung, Leid, Trauer, Angst lösen.

Dr. Franz-Josef Wittstamm: Juden in Süd

Juden in Süd – Verfolgung, Vertreibung, Vernichtung
Jüdisches Leben in Recklinghausen entstand wieder im 19./20. Jahrhundert im Zuge der Bergbauphase und der dadurch verursachten Entwicklung vom Ackerbürgerstädtchen zu einer Industrie-, Einkaufs- und Verwaltungsstadt. So siedelten sich jüdische Familien vor allem in der Altstadt und den benachbarten Wohnquartieren und im Süden, v.a. entlang der zentralen Bochumer Straße an.

Mit einem Brief aus den USA fing alles an.

Winfried Nachtwei – Pionier der Erinnerung an die Nazi-Verbrechen in Riga

„Und dann die Massengräber im Wald von Bikerniecki, und an allen diesen und vielen anderen Orten des Nazi-Terrors null Erinnerung daran, was dort geschehen war.“ Diese Fakten stellen Winfried Nachtwei und seine Frau mit Abscheu und Entsetzen 1989 bei der ersten Reise nach Riga fest. Das Studium von Dokumenten über Besetzung und Terror durch Deutsche Wehrmacht, Polizei und SS, aber vor allem Kontakte zu Überlebenden der Deportationen werden  Motivation und Antrieb, an diese Verbrechen unbedingt zu erinnern.

Jakob Saß über Adolf Haas: Gewalt, Gier und Gnade!?

„Ich wollte verstehen, warum Adolf Haas zum Täter wurde“, so begann Jakob Saß über die dicke SS-Personal-Akte hinaus sich für den Werdegang des 1893 in einem Dorf im Westerwald geborenen späteren KZ-Kommandanten zu interessieren. Seine Karriere im NS-Apparat verlief keineswegs gradlinig, denn für intellektuelle politische oder Verwaltungsaufgaben bescheinigten ihm Lehrgänge nicht seine Eignung. Seine SS-Mitgliedschaft verschaffte dieser schillernden Figur mit Kriegsbeginn endlich eine Karriere als Kommandant in verschiedenen Konzentrationslagern, bestimmt von Gewalt, Brutalität, Macht, aber auch Opportunismus und Habgier ...

Prof. Ladislaus Löb würdigt Rezsö Kasztner

„Wenn ich ein Held war, war ich ein Held der Umstände“, so sieht sich Rezsö Kasztner.
An der Rettung von 1685 Juden war er maßgeblich beteiligt durch seine erfolgreichen „Geschäfte mit dem Teufel“ – so charakterisiert Ladislaus Löb die Machenschaften dieses ungewöhnlichen Menschen, durch den er zusammen mit seinem Vater in die Schweiz „ausreisen“ konnte. Was wird nach 1945 aus dem Retter Rezsö Kasztner? Geht er als Held in die Geschichte ein oder als Taktierer, gar Verräter? In seinem Buch rekonstruiert Ladislaus Löb die weitere, sehr bewegte und bewegende Geschichte von Kasztner. Er geht nach Palästina, wird im späteren Israel vor Gericht gestellt…

Dirk Frenking: Der Widerstand gegen das NS-Regime vor bundesdeutschen Gerichten

Der Untertitel lautet: Rühmliches und Unrühmliches aus der deutschen Rechtsgeschichte und zeigt auf, wie sich immer wieder bundesdeutsche Gerichte mit dem Widerstand gegen das NS-Regime beschäftigen mussten. So zog der Generalstaatsanwalt Fritz Bauer, in der NS-Zeit selbst als Jude verfolgt, 1952 das Verfahren gegen den immer noch aktiven Nationalsozialisten Remer an sich, der auch nach 1945 die Attentäter des 20. Juli 1944 als Landesverräter bezeichnet und die neonazistischen Sozialistischen Reichspartei (SRP) mitbegründet hatte.

André Coilliot: Die deutsche Besatzung in Arras/Nordfrankreich

In der Stadt sah man viele Soldaten…
Monsieur Coilliot berichtet, wie sich das Leben unter deutscher Besatzung ab 1940 ändert, nicht nur, dass deutsche Soldaten das Stadtbild verändern, nicht nur, dass sie sich Kaffee kochen lassen. Coilliot ist Lokalhistoriker und kann auch vermitteln zwischen Ereignissen im ganzen Lande und im Raum Arras; wir erfahren etwas über militärische Aktionen und den Schwarzmarkt, aber auch über den französischen Widerstand.

Dr. Hans-Peter de Lorent: Schule und Nationalsozialismus – Täterprofile

Wer waren die Verantwortlichen im Hamburger Bildungswesen unterm Hakenkreuz, die zu Denunzianten, Scharfmachern und Provokateuren wurden und wie haben sie sich nach 1945 in „Entnazifizierungsverfahren“ reingewaschen, ja sogar neue Biografien erfunden, um danach teils rasante Karrieren zu starten? Manche waren nur „Mitläufer“ der Karriere wegen. Fast alle Porträtierten haben sich trickreich bemüht, um die „Persilscheine“ zu bekommen, oder haben die Zeit abgewartet, bis die Praxis der Entnazifizierung laxer wurde.

Dr. Volker Jakob: Franz von Papen - Ein Zylinder, kein Kopf

„Dieser Mann ist Katholik und er gehört dem Adel an.“
Reichskanzler, Steigbügelhalter, Lügenbaron, so charakterisiert Volker Jakob diesen Mann, der nicht unwesentlich 1932/33 beim letzten Schritt zur Etablierung von NSDAP und Adolf Hitler beteiligt war.
Jacob zeichnet in seinem Vortrag ein äußerst negatives Bild dieses Mannes. Er deckt seine religiös-deutsch-nationalen, konservativen und adeligen Netzwerke auf, durch die er eine größtmögliche, aber eben für die Demokratie der Weimarer Republik desaströse, zerstörerische Wirkung erzielte.

Prof. Winfried Heinemann: „Der 20. Juli 1944“

Welche Gründe hatten ausgerechnet die nationalkonservativen Politiker und Offiziere für einen Staatsstreich? Wie verhalten sich ethisch-moralische und auch religiöse Motive zu professionellen Sachüberlegungen? Der Vortrag will diesen Fragen nachgehen, zugleich auch bedenken, was das für unser heutiges Reden über den Widerstand bedeutet.
Prof. Heinemann fängt seinen Vortrag militärisch an: Es ist von Feindlage und Auftrag die Rede, weiter dann von "Durchführung und Befehlslage".

Dr. Dagmar Pöpping: Kriegspfarrer an der Ostfront

In allen Heeren seit der Antike gab es Soldatenseelsorge…
und auch in der Wehrmacht wurden die Soldaten psychologisch fit gemacht für den Kampf, erläutert Dagmar Pöpping die Hauptaufgabe der Wehrmachtspfarrer. Sie berichtet (in drei Film-Teilen) über ihre Forschung zum Einsatz von Wehrmachtspfarrern an der Front im Krieg gegen die Sowjetunion 1941 bis 1945.

Staatlich geplanter Massenmord oder der Sadismus eines Einzelnen?

Über den einzigen Prozess 1987-1991 gegen ein Mitglied der SS-Wachmannschaft im sog. „Zigeunerlager“ des KZ Auschwitz-Birkenau.

Dr. Kirsten, Direktor des Amtsgerichts Gelsenkirchen, erinnert an das beschämende Urteil des Zivilsenats des Bundesgerichtshofs von 1956, das noch von derselben Geisteshaltung und Diktion der rassistischen NS-Diktatur gegen die „Zigeuner“ geprägt war – das war im Prozess gegen den SS-Rottenführer Ernst August König 30 Jahre später anders.

Dirk Frenking: Die Zerstörung des Rechtsstaats

„Das Gespräch mit Schülern in unserer Ausstellung ist eine gute Gelegenheit zur Aufklärung über die Justiz während der Nazi-Diktatur“, findet Dirk Frenking, Richter am Oberlandesgericht und früherer Leiter der Dokumentations- und Forschungsstelle „Justiz und Nationalsozialismus NRW“ in Recklinghausen.

Manfred Schmitz-Berg: 150 Mark für einen Monat KZ !?

Wiedergutmachung? Renten, Kapitalzahlungen, Abfindungen, Beihilfen, Kosten für Heilverfahren, Kuren, Darlehen, Pauschalen, Globalabkommen, Ghettorenten – wer viel verloren hatte, konnte viel wiederbekommen, zunächst nur, sofern er Deutscher war, berichtet Manfred Schmitz-Berg, Richter am Oberlandesgericht a.D.; es gab vielfältige Wiedergutmachungsmöglichkeiten nach 1945 für all diejenigen, die unter dem NS-Regime verfolgt wurden und Schaden erlitten hatten. Eine Milliarde DM gingen im Laufe der 1950er Jahre des Weiteren auch an europäische Länder.

Karikaturen / Schriftsteller

Josef Čapek, präsentiert von Dr. Ulrich Grochtmann

Die "Sonne des Hakenkreuzes" über einem Soldatenfriedhof - das ist bereits 1933, sofort nachdem Adolf Hitler die politische Macht in Deutschland übergeben worden war, die klare Prognose von Josef Čapek, einem tschechischen Maler, Dichter, Journalisten und Karikaturisten (geb. 1887).
Sein Engagement der Warnung und Aufklärung gegen die tödliche Gefahr durch die Nationalsozialisten, auch in seiner Heimat, machte ihn zu einem ernsthaften Feind: Josef Čapek wurde am 1. September 1939 von den Nazis verhaftet, hat mehrere KZ durchlitten und am Ende das KZ Bergen-Belsen nicht überlebt.