Familiengeschichten

und Porträts werden auf dieser Seite von Nachfahren der Zeitzeugen nachgezeichnet.

Judith Neuwald-Tasbach über ihren Vater Kurt Neuwald

Jeder in der Stadt hatte doch Ober-Betten aus unserem Geschäft ….
…und deshalb glaubte die Familie doch, dass es in Gelsenkirchen Schutz vor Verfolgung und Verwüstung ihres Geschäftes geben würde, erzählt die Tochter von Kurt Neuwald. Es nützte leider alles nichts: In der Pogromnacht im November 1938 wurde das Betten-Geschäft verwüstet und Kurt wurde 1942 nach Riga deportiert, wo er zunächst als Zwangsarbeiter im Kraftwagenpark des Heeres einige Zeit überleben konnte.

Andreas Nachama: Wer hat die Stadt kaputt gemacht? – Das verstehst du noch nicht!

„Dir ist jetzt übel und du gehst sofort mit deinen Sachen zum Hinterausgang raus, nach Hause!“ Dies flüsterte der Vorabeiter bei Siemens der 20jährigen Lilli Schlochauer ins Ohr, als er eines Tages während der Schicht zu ihr kam. Sie fuhr danach den ganzen restlichen Tag auf der Berliner Ringbahn, bis sie sich um 18:30 h, bei Geschäftsschluss, endlich traut, in die Drogerie am Roseneck zu gehen, um sich mit ihrer Tante zu beraten, was zu tun sei. Sie hat die Idee, Lilli bei der nicht-jüdischen Frau des Kaufhaus-Besitzers Wertheim für eine Nacht unterzubringen – aus der einen Nacht wurden 2 ½ Jahre.

Geraldo Wickert über seine brasilianische Familie

Warum schicken Brasilianer Care-Pakete nach Deutschland?  Das fragte sich der heranwachsende Geraldo Wickert, der in Brasilien geboren wurde; die Eltern haben die Kinder mit politischen Informationen nicht belästigen wollten. Der Vater ging vor der Nazi-Zeit als Künstler und Fotograf für Reportagen nach Südamerika, aus denen wegen Devisensperren nichts mehr wurde. Die Einstellung gegenüber den Nazis war sehr kritisch, seine politischen Karikaturen hätten nicht veröffentlich werden dürfen. Die Mutter konnte mit ihren jüdischen Wurzeln in Breslau ihr Studium nicht weiterführen.

Hanneke Schmitz: Die 200jährige Geschichte meiner jüdischen Vorfahren

Geachtet, ausgegrenzt, vertrieben, vernichtet, geduldet, aber nicht gern gesehen – die Familiengeschichte der Elias und Anverwandten steht für die 200jährige Geschichte der jüdischen Vorfahren von Hanneke Schmitz, geborene Günzburger. Der Vortrag von Hanneke und Peter Schmitz teilt sich in diese 5 Kapitel, die die einzelnen Phasen der historischen Entwicklung der jüdischen Vorfahren von Hanneke darstellen. Hauptsächlich lebten sie Deutschland, waren später dann zwangsweise verteilt über die gesamte westliche Welt.

Franz-Josef Wittstamm über Isidor Philipp

Die Überschrift könnte auch lauten: Porträt eines außergewöhnlichen jüdischen Menschen, charismatisch, heldenhaft in entscheidenden Momenten, teilte auch das letzte Hemd mit den Menschen seiner Umgebung! Wichtigste Stationen: Umschulungs- und Einsatzlager Paderborn, Landwerk Neuendorf, Buna  Auschwitz-Monowitz, Vereinigte Pionier Jugend, Todesmarsch Buna – Gleiwitz, Mauthausen – Dora Mittelbau, KZ Wöbbelin, „KZ Buchenwald“, Jüdische Brigade / 8. Armee Royal Army, Haifa, Kibbuz Buchenwald, Israel – Dies alles immer nach dem Motto: „Mensch bleiben in jeder Situation!“

Patricia van den Brink: In alle Welt versprengt

Die jüdische Familie war immer deutsch: Breslau, Kassel, Xanten, Korschenbroich, Duisburg, Düsseldorf, Rheydt – zu Kosmopoliten wurden sie nicht freiwillig: Nach London, Palästina, Israel ging die Familie unter dem Zwang und den Repressalien der Nazis. In Breslau verweigerte ein Straßenbahn-Schaffner einem neunjährigen Schulkind der Familie die Beförderung mit den Worten: "Judenkinder nehm ich nicht mit!" Viele aus der Familie wurden in den Lagern und Gaskammern der Nationalsozialisten ermordet. Patricias Weg führte zurück nach Deutschland.

Saskia über ihre Mutter Erika Gräfin von Brockdorff

Erika Gräfin von Brockdorff stellte ab 1941 ihre Wohnung in Berlin der Widerstandsgruppe „Rote Kapelle“ um Hans Coppi für Funkversuche, auch Richtung Moskau, zur Verfügung. Am 16. September 1942 wurde sie verhaftet und in das Frauengefängnis Charlottenburg gebracht, kurze Zeit später zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt. Auf Drängen Hitlers wurde das Urteil im Januar 1943 in ein Todesurteil umgewandelt – sie wurde im Zuchthaus Plötzensee enthauptet. 63 Jahre lang musste ihre Tochter Saskia darauf warten, den Abschiedsbrief lesen zu können. Der Vater erwähnte die Mutter mit keinem Wort.

Christel Lewin über Harold Lewin: „Bleiben oder gehen?!“

Das ist die Überlebensfrage nach 1933 in Deutschland auf den Familientreffen für die jüdische Familie Lewin aus Essen, über deren Schicksal Christel Lewin in Recklinghausen berichtet. Der Zweig der Familie, in den sie später hinein heiratet, ist bis zum letzten Moment, 1938, geblieben, um dann in die Niederlande zu fliehen – natürlich nicht reibungslos. Die Familie durchlebt viele lebensgefährliche Situationen, z.T. im Versteck in den Niederlanden unter deutscher Besatzung. Ihr späterer Mann wird verhaftet, ins KZ Buchenwald verfrachtet, Ende 1944 aus dem KZ in Theresienstadt befreit.

Jörg Watzinger: Aufwachsen im politischen Widerspruch

„Ein SS-Mann an der Spitze der Stadtverwaltung“ - denunzierte die Schlagzeile einer lokalen Mannheimer Zeitung die geplante Wiederwahl des Juristen Karl-Otto Watzinger in der Mitte der 60er Jahre. Das Gegenteil sei richtig, so rehabilitierte ihn ein Gericht. Was war Besonderes mit dem Vater? Und wieso erhielt der Sohn den Vornamen Jörg? Als Nachkomme erfährt er eine für sich prägende Belastung. Aber erst nach dem Tod des Vaters 2006 erforscht Jörg Watzinger dessen Schicksal in der NS-Zeit und danach.

Inge Kroll: Aufwachsen in der Familie eines kommunistischen Widerstandskämpfers

„Kinder wollen keinen Vater, der erniedrigt worden ist, der geschlagen worden ist...“. So erklärt Inge Kroll, dass sie ihren Vater nie danach gefragt hat, was er wirklich ertragen hat, und er hat es ihr nie erzählt. Erst nach seinem Tod hat sie über sein Schicksal genauer geforscht.
Ihr Vater, geboren 1902, war als Gewerkschafter und KPD-Mitglied in Bergisch-Gladbach schon vor 1933 politisch aktiv, er blieb auch nach 1933 im Widerstand, hat Haft, Lager, Verfolgung, Flucht, das KZ Dachau und den Todesmarsch überlebt und dann nach 1945 die alten Nazis in Amt und Würden wieder erleben müssen.

Lea Thery: Mein Vater, der Widerstandskämpfer

Von Mai bis Juni 1940 tobte die Schlacht um die nordfranzösische Stadt Dünkirchen. Lea`s Vater begriff eines Morgens, dass er auf einem toten Soldaten aufgewacht war. Die Schlacht ging für französische Soldaten verloren,  der Vater geriet in deutsche Kriegsgefangenschaft, aus der er mit 5 weiteren französischen Soldaten fliehen konnte: Junge Holländer gaben ihnen Lebensmittel und vermittelten konspirativ ein Boot zur Überfahrt über den Rhein. In einem bestimmten Geschäft auf der anderen Rheinseite sollten sie den mitgegebenen Zettel vorlegen: Aufgeschrieben war eine spezielle Sorte von Nägeln.

Tanja Ronen beschreibt das Verfolgungsschicksal Ihrer Familie

Mit der Gestapo als Taxi zurück zu den Eltern
Wie geht das? Ich bin zu jung für die Auswanderung nach Palästina, sehe aber blond und blauäugig aus und verschweige gegenüber den Gestapo-Leuten natürlich, dass ich ein jüdisches Kind bin.
Die Eltern und Großeltern waren natürlich entsetzt, als der Vater von Tanja Ronen, damals heranwachsender Junge, aus dem Auto der Gestapo stieg.

Lorenz S. Beckhardt: Mein Großvater Fritz

Der Journalist Lorenz S. Beckhardt liest aus seinem Buch “Der Jude mit dem Hakenkreuz. Meine deutsche Familie“, aufgezeichnet am 27. September 2018 in den Räumen der VHS Recklinghausen.
Teil 1: Überleben der jüdischen Vorfahren nach 1933 – Deportation und Ermordung in Riga 1942. Widersprüche in der Geschichte der Vorfahren der Familie Beckhardt in der NS-Zeit
„So sieht ein deutsches Mädel aus. Dich würde ich sofort adoptieren“, begeisterte sich der SS-Mann in schwarzer Uniform mit Totenkopf am Revers über das jüdische Kind Melitta, die spätere Mutter von Lorenz S. Beckhardt.

Chaja Kaufmann: Meine Familie aus Gladbeck

„Wir sind aufgewachsen auf einer ganz kleinen jüdischen Insel.“

Wie integriert die Familie in Gladbeck war, welches Ansehen sie genoss, all das berichtet Chaja Kaufmann über ihre Großeltern Max und Ida. Und dennoch wird die Lage der jüdischen Kaufmannsfamilie in Gladbeck immer grauenvoller. Sie muss die Pogrome in der Nacht vom 9./10. November 1938 erleben und überleben.

Chaja Kaufmann befragt ihre Cousine Batja Henner

“Ich weiß nicht viel über Dich“ so beginnt Chaja das Gespräch mit ihrer 20 Jahre älteren Cousine Batja, die zum 9. November 2018 aus Israel nach Gladbeck gereist ist. Die Beiden begegnen sich in diesen Tagen zum ersten Mal in ihrem Leben. Batjas Mutter und Chajas Vater sind Geschwister und Kinder von Max und Ida Kaufmann, der jüdischen Familie aus Gladbeck. Batja erzählt, wie sie mit ihren Eltern Ende Oktober 1938 nach Polen ausgewiesen wird, dann aber weiter in Richtung Osten, bis Taschkent in der damaligen Sowjetunion, fliehen kann.

Jan Erkelenz: Meine halbjüdische Großmutter Bini

Jan Erkelenz berichtet über seine niederländische halbjüdische Großmutter Bini, die sich als junge Frau in einen deutschen Besatzungssoldaten verliebt, was selbstverständlich verboten und somit sehr gefährlich war.

Auch der junge deutsche Soldat meint es ernst und desertiert.

Das Gespräch fand am ‎7. ‎Juli ‎2016 in Recklinghausen statt.

Charlotte und Georg Nomburg

Charlotte Heymann aus Braunschweig und Georg Nomburg aus Breslau, Schlesien, heirateten am 27. Dezember 1921. Im Stadtarchiv Coburg liest man heute: „Die Brüder Georg und Hans Nomburg betrieben in Coburg ein Textilwarengeschäft. Beide besaßen die polnische Staatsbürgerschaft, beantragten aber einen deutschen Pass. Georg Nomburg erhielt ihn 1922, sein Bruder 1926. Gleichzeitig begannen die Nazis mit ihrer Hetzkampagne gegen die Nomburgs.

Familie Wikkerink

„Ich bin kein Held. Ich habe das getan, was ich tun musste!“ – Nicht sehr viel mehr sagte „Ohm Jan“, Wikkerink seinen Kindern und Enkeln über die Zeit der deutschen Besatzung in den Niederlanden.

Er war einer der führenden Köpfe von mutigen Menschen, die ein Widerstands-Netz gesponnen hatten, um viele von Deutschen Verfolgte zu verstecken und ihnen damit das Leben zu retten.

Jan Wikkerink und weitere „stille Helfer“ für die Untertaucher

Marian Nijman-Hijink vom Aaltener Untertaucher-Museum (Niederlande) berichtet, dass drei mutige und entschlossene Initiatoren 1942 ein landesweites Unterstützer-Netzwerk aufbauten, das viele von den Nazis Verfolgte verstecken und retten konnte. Darunter waren Juden, Sinti und Roma, Kriegsgefangene u.a..

Eine wichtige Rolle in der Region Aalten spielte dabei Jan Wikkering mit seiner Familie, besonders auch seine Tochter Jo, die als Kurierin unterwegs war. Das Gespräch war am 4. ‎September 2016 in Aalten.